11. April 2025

Neue Perspektiven für die Politik

Plus Icon Bildung//Demokratie//

Die Gestaltungszentrale Politik engagiert sich als überparteilicher Verein für frische Impulse in politischen Prozessen. Seit 2024 wird die Organisation dabei von der Nemetschek Stiftung gefördert. Ein Gespräch mit Initiator Philipp Cartier über Gestaltungskultur, aktuelle Projekte und darüber, wie festgefahrene Strukturen überwunden werden können.

Mit Expertise aus Design, Kultur und Wissenschaft setzt die Gestaltungszentrale Politik frische Impulse für politische Prozesse. © Martha Frieda Friedel

Herr Cartier, können Sie uns kurz erzählen, was die Gestaltungszentrale Politik ist?

Philipp Cartier

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Die Gestaltungszentrale Politik ist eine gemeinnützige Organisation, die sich mit der Transformation und Verbesserung der Gestaltungskultur in der Politik beschäftigt. Wir sind eine Gruppe aus Designer*innen und Expert*innen aus Kultur, Wissenschaft und verwandten Disziplinen. Unser Ziel ist es, politische Gestaltungsprozesse mit einer neuen Perspektive zu unterstützen, die über das bisherige Denken hinausgeht. Mit unserer Expertise aus dem Design möchten wir alternative Ansätze in die politischen Gestaltungsprozesse einbringen, frische Impulse setzen und festgefahrene Strukturen aufbrechen, um politische Inhalte und Prozesse effektiver und innovativer zu gestalten.

Was hat euch zu diesem Ansatz inspiriert?

Philipp Cartier

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Während meines Masterstudiums an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg faszinierte mich die Nähe vom Design zur Politik . Ich stellte mir die Frage, was politische Akteure eigentlich unter „Gestaltung“ verstehen, da ich als Designer einen anderen Zugang zu diesem Begriff habe. Durch Praktika, unter anderem im Bundestag und bei der Landesregierung in Hamburg, konnte ich die Arbeitsweise politischer Akteure und deren Gestaltungsprozesse beobachten. Ich fragte mich, ob Designmethoden die politische Arbeit verbessern könnten, und begann, die bestehenden Strukturen zu hinterfragen. Durch Gespräche mit jungen Parlamentarier*innen wurde deutlich, dass auch innerhalb des Systems der Wunsch nach neuen Arbeitsweisen besteht. Daraus resultierte die Idee der Gestaltungszentrale Politik – nicht als fertige Blaupause, sondern als Experiment. Mit meinem Team und der Unterstützung eines Abgeordneten, der offen und bereit war, den Versuch zu wagen, konnten wir unseren Ansatz in die Tat umsetzen.

Unser Ziel ist es, politische Gestaltungsprozesse mit einer neuen Perspektive zu unterstützen, die über das bisherige Denken hinausgeht.Bild eines Anführungszeichens

Philipp Cartier

Initiator & Leitung Gestaltungszentrale Politik

Wie genau sieht diese Zusammenarbeit dann aus?

Philipp Cartier

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Wir bezeichnen unsere Arbeit als politische Gestaltungsbegleitung, bei der wir einen Prozess unterstützen. Anstatt nur Schulungen oder Anleitungen anzubieten, übernehmen wir aktiv die Begleitung eines Prozesses. Ein Beispiel ist unser erstes Projekt mit einem SPD-Abgeordneten, der sich mit digitalen Kompetenzen in der Gesellschaft befasst. Gemeinsam haben wir über anderthalb Jahre hinweg Workshops und Arbeitstreffen durchgeführt. Die Workshops, die ein bis anderthalb Tage dauerten, wurden mit seinem Team und externen Expert*innen aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft durchgeführt. Es geht bei unserer Arbeit vor allem darum, Prozesse zu moderieren, kritische Fragen zu stellen, Partizipation zu fördern und externe Perspektiven einzubinden. Zwischen den Workshops haben wir in kleineren digitalen Treffen weiter am Thema gearbeitet. Unsere Rolle bestand nicht in der inhaltlichen Expertise, sondern vielmehr darin, den Prozess zu strukturieren, Impulse von außen einzubringen und Raum für kollaboratives Arbeiten zu schaffen. So entstand unser erster Prototyp der Gestaltungsbegleitung. Diese iterative Herangehensweise ermöglicht es uns, Erkenntnisse für zukünftige Projekte zu sammeln und kontinuierlich zu verbessern.

An welchen Projekten arbeitet die Gestaltungszentrale Politik aktuell?

Philipp Cartier

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Aktuell arbeiten wir zum Beispiel   mit dem Politikwissenschaftler Prof. Dr. Sven T. Siefken zusammen an einem Forschungsprojekt, um die Entstehung von politischen Gestaltungsprozessen abzubilden. Hier haben wir eine dreimeterlange Karte entwickelt, die zeigt, wie aus einer Idee ein Gesetz wird. Diese wollen wir weiter ausbauen und einen interaktiven, digitalen Atlas entwickeln, der den gesamten Prozess erklärt – zugänglich für alle, von Zivilgesellschaft bis Fachpublikum. Zusätzlich haben wir uns vor der Bundestagswahl im Februar intensiv mit dem neuen Wahlrecht beschäftigt und dazu Visualisierungen sowie ein Erklärvideo entwickelt, das komplexe Inhalte verständlich darstellt. Das wird bereits breit genutzt, von Social Media bis hin zu Universitätskursen – was uns natürlich sehr freut!

Die Gestaltungszentrale Politik wird von der Nemetschek Stiftung gefördert. Wo unterstützt diese im Speziellen?

Philipp Cartier

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Die Stiftung unterstützt uns momentan vor allem bei der Umsetzung unserer nächsten zwei Prototypen. Unser erster Prototyp wurde komplett ehrenamtlich und ohne Förderung umgesetzt. Doch uns war von Anfang an klar, dass wir für die Weiterentwicklung und Professionalisierung finanzielle Unterstützung benötigen. Die Förderung ermöglicht es uns jetzt, Arbeitsleistungen zu finanzieren. Ehrenamt wird für uns immer ein zentraler Bestandteil bleiben, wir konnten nun aber zum Beispiel eine kleine, bezahlte Stelle schaffen. Zusätzlich deckt die Förderung Reisekosten ab, da die meisten Treffen und Workshops in Berlin stattfinden, während unser Team verstreut lebt. Auch notwendige Materialien für Veranstaltungen und Workshops sind abgedeckt. Uns bedeutet es viel, dass sich die Stiftung auf dieses neue, experimentelle Konzept eingelassen hat. Konkret stehen wir für ein weiteres Projekt mit einer Abgeordneten zum Thema Wohnungspolitik in den Startlöchern, das sich auf Grund der Neuwahl etwas verschoben hat – eine Herausforderung, die die Stiftung mit viel Verständnis aufgenommen hat. Diese Flexibilität ist für uns von unschätzbarem Wert.
© Martha Frieda Friedel

Über die Gestaltungszentrale Politik

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Die Gestaltungszentrale Politik ist ein unabhängiger Verein, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, politische Prozesse aktiv mitzugestalten. Mit Fokus auf Dialog, Partizipation und Innovation fördert der Verein den offenen Austausch zwischen Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft.

Mehr Infos zur Gestaltungszentrale Politik gibt’s hier.