27. Februar 2024

„Irgendwann, da kommt es ins Rollen“

Plus Icon Bildung//Demokratie//

Der Verein Jugend-Enquete-Kommission setzt sich für mehr junge Stimmen in der Politik ein. Gefördert wird die Projektarbeit des Vereins seit 2022 von der Nemetschek Stiftung. Ein Gespräch mit Vereinsvorsitzenden Stella Imo und Silke Zimmermann von der Nemetschek Stiftung über Konstruktivität, Partizipation und wie wichtig Fördergelder für junge Bündnisse sind.

Die Jugend-Enquete-Kommission übergibt einmal jährlich ein Policy Paper an Vertreter*innen aus Politik und Gesellschaft. Mit dabei: Silke Zimmermann. © Hannes Schmidt / Jugend-Enquete-Kommission e.V.
Die Jugend-Enquete-Kommission übergibt einmal jährlich ein Policy Paper an Vertreter*innen aus Politik und Gesellschaft. Mit dabei: Silke Zimmermann. © Hannes Schmidt / Jugend-Enquete-Kommission e.V.

Frau Imo, seit wann gibt es den Verein Jugend-Enquete-Kommission und welche Ziele verfolgt er?

Stella Imo

Plus-Symbol
Wir haben den Verein im Sommer 2021 gegründet. Wir wollen die Stimmen junger Menschen mehr in die Politik bringen und sie in der Gesellschaft hörbar machen. Denn wir haben gesehen, dass junge Menschen total engagiert sind und viele Ideen haben, wie sie ihre eigene Zukunft gestalten wollen. Leider werden sie aber nicht in dem Maße gehört, wie sie es verdient hätten. Genau das wollten wir ändern und eine Plattform schaffen, die es jungen Menschen ermöglicht, mehr in der Politik und an Entscheidungsprozessen zu partizipieren und so ihre eigene Zukunft mitgestalten können.

Seit 2022 ist die Nemetschek Stiftung Förderin des Jugend-Enquete-Kommission e.V. Frau Zimmermann, wie kam es zur Zusammenarbeit und was ist für Sie das Besondere am Verein?

Silke Zimmermann

Plus-Symbol
Frau Imo kam auf der Suche nach Unterstützenden auf mich zu. Ich weiß noch, dass ich die Unterlagen bekommen habe und die Idee mich sofort gecatcht hat. Vor allem wie unfassbar professionell alles aufgezogen war. Ich habe direkt gemerkt: Die Vereinsmitglieder sind sich ihrer Sache sicher und wissen genau, was sie machen wollen. Das konnten sie auch in ihren Unterlagen auf den Punkt bringen. Ich persönlich finde den Ansatz, innerhalb des repräsentativen Systems eine Ergänzung vorzuschlagen, einfach total gut. Wir reden immer sehr viel darüber, dass sich unsere Demokratie erneuern soll. Doch oft hat man das Gefühl, alles vom Kopf auf die Füße stellen zu müssen. Mit bekannten und bewährten Instrumentarien eine Ergänzung für die Anliegen einer bestimmten Gruppe der Bevölkerung zu schaffen, finde ich konstruktiv und sehr unterstützenswert.

Stella Imo

Plus-Symbol
Genau dieses Anknüpfen an Bestehendes ist uns auch ein großes Anliegen. Wir wollen jungen Menschen zeigen, welche Möglichkeiten sie in der Demokratie haben. Und wie wichtig es ist, diese Möglichkeiten der Mitbestimmung zu nutzen. Das kann funktionieren. Obwohl wir noch nicht so groß sind, bekommen wir viel Aufmerksamkeit aus der Politik. Das zeigt, welche Chancen auch nur ein paar Menschen haben können, wenn sie mit Motivation und Willen an die Sache ran gehen.

Wie genau sieht die Zusammenarbeit zwischen der Nemetschek Stiftung und dem Jugend-Enquete-Kommission e.V. aus?

Silke Zimmermann

Plus-Symbol
Als Stiftung mischen wir uns nicht ins Konzeptionelle oder ins Tagesgeschäft des Vereins oder der Kommission ein. Das entspricht nicht unserem Förderansatz. Ich stehe aber immer gerne als Sparringpartnerin zur Verfügung, gebe Feedback und überlege mit, wenn das gewünscht ist. Und natürlich schaue ich auch immer gerne bei Veranstaltungen der Kommission vorbei. Ich bekomme gerne einen Einblick und ein Gespür für die Arbeit.

Stella Imo

Plus-Symbol
Wir wissen es sehr zu schätzen, dass die Nemetschek Stiftung als Förderin keinen Einfluss auf unsere Arbeit nehmen will. Als Verein ist es unser Ziel, möglichst unabhängig und frei zu agieren, sodass auch vor allem die Kommission dann selbst frei agieren kann. Zudem freuen wir uns, dass die Stiftung uns in der Öffentlichkeitsarbeit unterstützt und wir von ihrem Netzwerk profitieren können. Dadurch erreichen auch wir andere Zielgruppen.

Wir wollen jungen Menschen zeigen, welche Möglichkeiten sie in der Demokratie haben. Und wie wichtig es ist, diese Möglichkeiten der Mitbestimmung zu nutzen.Bild eines Anführungszeichens

Stella Imo

Vorstandsvorsitzende des Vereins Jugend-Enquete-Kommission

Frau Imo, Sie sind im Verein für die Finanzen zuständig. Wie wichtig sind Fördergelder für die Arbeit der Jugend Enquete Kommission? Wie werden diese eingesetzt?

Stella Imo

Plus-Symbol
Finanzielle Förderung ist für uns elementar. Natürlich versuchen wir möglichst viel kostenlos zu bekommen. Wir haben zum Beispiel auch eine Pro-Bono-Steuerberatung. Dennoch haben wir jedes Jahr einen Finanzplan, der meist groß ausgelegt ist. Die Umsetzung hängt dann davon ab, wie viel Fördermittel wir generieren können. 2024/2025 plant der Verein vier Events, die finanziert werden müssen. Wir übernehmen dafür alle Kosten für Unterkunft, Verpflegung und Anfahrt. Uns ist es wichtig, dass die Teilnehmenden keine Ausgaben haben, sodass auch Menschen mit sozioökonomisch schwächeren Hintergründen teilnehmen können. Auch die Übergabe im Bundestag an die Politiker*innen und die separat organisierte Übergabe des Policy Paper an die Zivilgesellschaft schlucken viel – nicht zuletzt, weil wir immer versuchen, noch größer zu werden und mehr Gäste einzuladen. Und dann ist da noch die Finanzierung des Vereinsgeschäfts, wie Website-Gebühren, unseren Vereinsschutzbrief oder die jährliche Mitgliederversammlung. Zusätzlich haben wir im Oktober eine Minijob-Stelle eingeführt, um vor allem den Vorstand zu entlasten und mehr Zeit für die Strategieplanung zu schaffen. Denn mit unserem Projekt streben wir die Institutionalisierung an und wollen ein offizielles Gremium in der Politik stellen. Dafür hatten wir bis jetzt leider noch nicht genug Zeit und freuen uns sehr über die Unterstützung.

Frau Zimmermann, die Nemetschek Stiftung fördert seit vielen Jahren Projekte, Organisationen und Vereine. Was ist Ihnen bei der Förderung besonders wichtig?

Silke Zimmermann

Plus-Symbol
Als Stiftung möchten wir natürlich immer neue und innovative Ansätze unterstützen. Innovation kann in diesen Zeiten aber nicht der einzige Faktor sein. Für viele öffentliche Förderprogramme ist die Zukunft ab 2025 ungewiss. Das hat zum einen mit der Haushaltslage zu tun, zum anderen aber auch mit sich möglicherweise verändernden politischen Umständen. Da gibt es bei uns einen noch nicht abgeschlossenen Denkprozess, was das eigentlich für die Fördertätigkeit von Stiftungen bedeutet, die sich auf Demokratieprojekte fokussieren. Für uns waren aber schon immer Projekte interessant, die sich an Erwachsene beziehungsweise junge Erwachsene richten. Da verstehen wir uns als Ergänzung im Bereich der politischen Bildung. Als Stiftung sind wir zudem bundesweit aktiv – das heißt, wir versuchen natürlich auch immer eine regionale Ausgewogenheit herzustellen und uns nicht ausschließlich auf die urbanen Zentren zu konzentrieren. Die Jugend-Enquete-Kommission im Speziellen wollen wir mit unserer Förderung vor allem in ihrer Selbstwirksamkeit stärken. Das ist immer ein Aspekt, der uns wichtig ist: Über Möglichkeiten und Formen der Demokratie aufzuklären – ohne erhobenen Zeigefinger. Die Projekte sollen Menschen motivieren!

Die diesjährige Fragestellung der Jugend-Enquete-Kommission behandelte das „Loch im Generationenvertrag“. Wie wurden die Vorschläge von der Politik aufgenommen?

Stella Imo

Plus-Symbol
In der Politik haben wir auf jeden Fall gesehen, dass die Leute interessiert sind. Bei der Übergabe des Policy Papers im Bundestag waren 35 Mitglieder des Bundestags da. Zum Vergleich: Im vergangenen Jahr saßen wir mit zwei zusammen! Das war wirklich ein großer Schritt für uns. Bei der Übergabe selbst wurde deutlich, dass Politiker*innen aus den verschiedensten Parteien Punkte im Paper gefunden haben, denen sie zustimmen und die sie unterstützen. Gerade das Thema Rente ist ja sehr aktuell und auch in der aktuellen Koalition in der Regierung diskutiert. Die Kommission ist da auf offene Ohren gestoßen. Jetzt wäre es natürlich wünschenswert, dass Ideen aufgegriffen werden. Ein paar Politiker*innen haben bei der Übergabe auch ausgesprochen, dass sie die Kommission zu Ausschüssen einladen wollen. Es wird sich jetzt zeigen, ob sie dieses Versprechen halten.

Mit bekannten und bewährten Instrumentarien eine Ergänzung für die Anliegen einer bestimmten Gruppe der Bevölkerung zu schaffen, finde ich konstruktiv und sehr unterstützenswert.Bild eines Anführungszeichens

Silke Zimmermann

Nemetschek Stiftung

Frau Zimmermann, wieso ist es so wichtig für unsere Gesellschaft, dass die (politischen) Stimmen junger Menschen Gehör finden?

Silke Zimmermann

Plus-Symbol
Grundsätzlich sollte in unserer Demokratie natürlich jede gesellschaftliche Gruppe gehört werden. Aber viele der politischen Weichen, die wir heute stellen, betreffen am meisten die Menschen, die heute jung sind. Deshalb sollten wir ihnen zuhören und uns ihre Ideen anschauen. Ich finde es bewundernswert, dass junge Menschen, nicht nur die Mitglieder der Kommission und des Vereins, sondern auch an vielen anderen Stellen, im Moment viel Zeit und Energie in Projekte stecken. Dass sie dennoch nicht ausreichend gehört werden, ist mehr als schade.

Frau Imo, was motiviert sie, weiterzumachen?

Stella Imo

Plus-Symbol
Auch wenn es viel Arbeit ist: Es ist für mich toll zu sehen, welche Wurzeln das Projekt schlägt. Es ist ein gutes Gefühl, jungen Menschen etwas bieten zu können, auf dem sie wachsen und Einfluss nehmen können. Als ich jünger war, hatte ich glücklicherweise auch die Möglichkeit, mich über verschiedene Formate zu engagieren. Für mich ist das jetzt gerade der Moment, etwas zurückzugeben. Als wir mit der Kommission angefangen haben, sind wir auf große Skepsis gestoßen. Viele meinten „Ihr seid doch verrückt, euch wird da niemand zuhören in der Politik“ – und jetzt sehen wir: Doch, wir werden gehört und es kann funktionieren! Irgendwann, da kommt es ins Rollen. Und das ist superschön!

Über die Jugend Enquete Kommission

Pfeil

Der Jugend-Enquete-Kommission e.V. ist ein gemeinnütziger, ehrenamtlicher Verein und setzt sich für mehr jugendpolitische Stimme in der Politik ein. Jährlich richtet der Verein die Jugend-Enquete-Kommission aus – ein mehrmonatiger Bildungs- und Diskussionsprozess, bei dem sich junge Menschen mit aktuellen, jugendpolitischen Themen auseinandersetzen und diese mit Expert*innen aus Politik und Gesellschaft diskutieren. Ihre Handlungsempfehlungen erreichen in Form eines Policy Papers auch den Bundestag.