29. Juli 2024

„Jede Schule sollte sich eine Zeitung gönnen“

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Bereits zum siebten Mal unterstützt die Nemetschek Stiftung den Blattmacher Wettbewerb, ausgerichtet vom bayerischen Kultusministerium und der „Süddeutschen Zeitung“. Drei Siegerteams aus den sieben Kategorien sind Ende Juli ausgezeichnet worden. „Die Preisverleihung ist auch für alle Initiator*innen immer das Highlight des Wettbewerbs“, so Silke Zimmermann, Vorständin der Nemetschek Stiftung.

Lehrer und Schüler betrachten eine Zeitung
Die Initiatoren des Blattmacher Wettbewerbs feierten die prämierten Schulklassen bei der Preisverleihung – für alle Beteiligten ist es das Highlight jeder Wettbewerbsrunde. © Stephan Rumpf

 

Im großen Saal des Münchener Literaturhauses strahlten die Gewinner*innen mit der Sonne um die Wette. Dr. Wolfgang Mutter, Abteilungsleiter Gymnasien im Bayerischen Kultusministerium würdigte in Vertretung der erkrankten Kultusministerin Anna Stolz die Themenvielfalt und das Sprachgefühl der jungen Journalist*innen. Ebenso beeindruckt zeigten sich Ulrich Schäfer, stellvertretender Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung, und Silke Zimmermann, Vorständin der Nemetschek Stiftung, die zu den Juror*innen zählten. „Die jungen Menschen, die hinter all diesen ausgezeichneten Zeitungen stecken, zu sehen und ihre Freude über das Erreichte mitzuerleben, ist eine große Freude“, betont Silke Zimmermann. „Wir spüren die Lust am Zeitungsmachen und die große Energie der Nachwuchsjournalist*innen – bei der Preisverleihung liegen bereits die zukünftigen Zeitungsausgaben regelrecht in der Luft.“ Für die musikalischen „Good Vibrations“ sorgte Songwriterin Melli Zech.

Lehrerin Christine Maier coacht seit bald zwanzig Jahren das Redaktionsteam der Schülerzeitung am unterfränkischen Rhön-Gymnasium in Bad Neustadt. Sie kennt den Blattmacherwettbewerb nicht nur aus der Perspektive der Teilnehmenden, sondern auch als Jurymitglied. Wie der journalistische Nachwuchs sie immer wieder beeindruckt, schildert sie im Interview.

Frau Maier-Fürsich, die Schülerzeitung „Konturen“ gilt seit je her als Aushängeschild Ihrer Schule. Im vergangenen Jahr hagelte es allerdings Auszeichnungen – neben dem ersten Platz im Blattmacherwettbewerb haben Sie noch drei weitere Preise erhalten, unter anderem durch die Europäische Kommission. Verraten Sie uns Ihr Erfolgsrezept?

Christine Maier-Fürsich

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Das würde ich gerne, aber ehrlich gesagt , wissen wir nicht, woran es lag, dass wir diese Erfolge in Serie hatten. Aber wir freuen uns ein Loch in den Bauch über so viel Zuspruch. Das würdigt unsere Arbeit – in den „Konturen“ steckt viel Liebe und Herzblut. Der Tag der Schlussredaktion für das fast hundert Seiten starke Werk dauert gerne schon mal zehn Stunden am Stück, da kommen wir alle an unsere Grenzen. Ich kann Ihnen aber verraten, womit wir diesen Tag überstehen – es gibt Pizza für alle.

An Ihrer Schule ist das Zeitungsmachen ein P-Seminar, das ist eine Besonderheit der gymnasialen Oberstufe in Bayern. Also steht Zeitungsmachen auf dem Stundenplan?

Christine Maier-Fürsich

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Nicht für alle. In den P-Seminaren stellen Schülerinnen und Schüler weitgehend selbstbestimmt ein Schuljahr lang etwas auf die Beine. Die Zusammenarbeit mit externen Partnern ist wichtig, ein Ziel ist nämlich auch die Berufsorientierung. Je nach Interesse eines jeweiligen Jahrgangs ist das Redaktionsteam der „Konturen“ klein oder groß. Das bislang kleinste Team war vierköpfig, das Größte bestand aus zwölf Jugendlichen.

Die jungen Menschen, die hinter all diesen ausgezeichneten Zeitungen stecken, zu sehen und ihre Freude über das Erreichte mitzuerleben, ist eine große Freude.Bild eines Anführungszeichens

Silke Zimmermann

Vorständin der Nemetschek Stiftung

Wie laufen die Entscheidungsprozesse unter Teilnehmenden? Wie klappt das mit der Verbindlichkeit und der Kontinuität?

Christine Maier-Fürsich

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Da die P-Seminare benotet werden, ist die Verbindlichkeit gegeben. Die Redaktion arbeitet eigenständig. Mein Job ist die Begleitung, ich bin Ansprechpartnerin, falls gewünscht. Und zum Start des Projekts konnte ich bislang immer einen dreitägigen Workshop organisieren, in dem journalistische Profis die Grundzüge des Zeitungsmachens vermittelten. Im Anschluss verständigen sich die Jugendlichen, wer die Chefredaktion übernimmt, die Position des Chefs oder der Chefin vom Dienst, wer sich fürs Layout und die Anzeigenakquise verantwortlich zeigt. Je nach Mischung der Gruppe sind oft auch Zeichnerinnen und Zeichner dabei oder Fotografie-Fans. Mir ist es immer wichtig deutlich zu machen, dass es nicht allein ums Schreiben geht – es zählen auch die Grafik und das Marketing.

Wie läuft die Themenauswahl und wer schreibt dann schließlich? Können auch jüngere Mitglieder der Schulgemeinschaft Artikel verfassen?

Christine Maier-Fürsich

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Das Redaktionsteam hält die Fäden in der Hand, diskutiert die Themen, plant den Heftaufbau und stellt die Anzeigenakquise sicher. Es wirbt per Aushang am digitalen schwarzen Brett und dann melden sich interessierte Schülerinnen und Schüler. Je nach dem, aus welchen Klassenstufen sie kommen, bilden sich Tandems, dann begleiten die Schülerinnen und Schüler der Oberstufe die Jüngeren.

Welche Themen treiben die Kinder und Jugendlichen um?

Christine Maier-Fürsich

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Sie schreiben gerne über etwas, das sie selbst beschäftigt oder selbst betrifft. Die „Konturen“, die im vergangenen Jahr prämiert wurde, hatte den Themenschwerpunkt Liebe. Oder es geht um Konsum, Ernährung, Identität oder auch um Aspekte aus dem LGBTQ-Spektrum (Anm. d. Red.: die Abkürzung steht für „Lesbisch, Schwul, Bisexuell, Transgender und Queer). Große weltpolitische Fragen kommen auch vor, vor allem aber, wenn die Jugendlichen einen Bezug zum eigenen Erleben herstellen können. Im vergangenen Jahr wurde ein Artikel über Kinder, die aus der Ukraine geflüchtet sind und nun bei uns unterrichtet werden, mehrfach ausgezeichnet.

Als Deutschlehrerin fand ich toll, dass es einen Artikel gegeben hat, der sich mit der Veränderung von Sprache beschäftigte. Die Verfasserin hat beleuchtet, wie viele Vokabeln aus dem psychotherapeutischen Bereich in der Alltagssprache auftauchen, wie etwa toxisch, Trauma, Trigger – und wie sich der Wortschatz verändert.

Sie haben auch Erfahrung als Jurorin beim Blattmacherwettbewerb. Wie werden die Entscheidungen getroffen?

Christine Maier-Fürsich

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Als Gewinnerteam aus dem vergangenen Jahr gehörten zwei Schülern und ich zur Jury in der Kategorie Online. Ein Journalist der SZ hatte schon eine Vorauswahl getroffen und wir haben dann neun Beiträge, die allen Kriterien gerecht wurden, in Ruhe angeschaut. Interessant fanden wir, dass jedes Jurymitglied spezielle Blickwinkel hatte. Der Journalist achtete vor allem auf aufmerksamkeitsstarke Überschriften und präzise Informationsvermittlung, uns hier in der Schule ist unter anderem wichtig, dass Datenschutz und Fotorechte gewährleistet sind.

Jede Schule sollte eine Zeitung haben. Sie zeigt die Sichtweise der Schüler*innen und ist ihr Sprachrohr. Damit verschaffen sie sich Gehör zu Themen, die ihnen wichtig sind.Bild eines Anführungszeichens

Christine Maier-Fürsich

Lehrerin am Rhön-Gymnasium in Bad Neustadt

Es trafen also Welten aufeinander. Und wie einigt man sich?

Christine Maier-Fürsich

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Obwohl wir alle unsere ganz eigene Perspektive hatten, lagen wir alle auf einer Linie, so dass wir uns schnell auf ein Ranking verständigen konnten. Die Schüler und ich fanden es super, mal auf der anderen Seite zu stehen. Das schärft den Blick für die eigene Arbeit.

Nach den Ferien machen Sie sich vermutlich wieder frisch ans Werk. Was denken Sie, haben Schülerzeitungen eine Zukunft in einer Zeit der schnelllebigen sozialen Medien?

Christine Maier-Fürsich

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Auf jeden Fall! Obwohl wir immer eine Printausgabe herausbringen, interessiert sich die ganze Schulfamilie für unsere Zeitung, wir haben nie Absatzprobleme und waren dieses Jahr sogar in zwei Tagen ausverkauft. Das zeigt ja, dass die „Konturen“ auch trotz der Vielfalt der digitalen Angebote von Bedeutung sind. Ich denke, jede Schule sollte eine Zeitung haben. Sie zeigt die Sichtweise der Schülerinnen und Schüler, ist ihr Sprachrohr, damit verschaffen sie sich Gehör zu Themen, die ihnen wichtig sind. Für mich ist das gelebte Demokratie.

Über den Blattmacher Wettbewerb

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Der Wettbewerb um hervorragende journalistische Produkte unter Bayerns Schülerschaft wird durch eine Kooperation von Süddeutscher Zeitung, Kultusministerium und der Nemetschek Stiftung ermöglicht. Er fand bereits zum 19. Mal statt. Nachwuchsjournalistinnen und -journalisten aus Süddeutschland zeigen beim Blattmacher Wettbewerb, was Qualitätsjournalismus ausmacht. Seit 2018 unterstützt die Nemetschek Stiftung den Wettbewerb mit Preisgeldern sowie bei der Entwicklung und Umsetzung der Workshops für die ausgezeichneten Redaktionen.