Freischwimmen
Silke Zimmermann
Für mich fühlte sich der Beginn der Pandemie an wie eine heftige Vollbremsung: Zuvor war mein Leben voll mit beruflichen und privaten Reisen. Ich liebe das Unterwegs-Sein, die Zeit zwischen dem Wegfahren und dem Ankommen. Seit März 2020 bin ich jetzt eben nur noch angekommen, in meinem Homeoffice nämlich. Aber mit dem Homeoffice lernte ich einen kleinen, bunten, individuellen Kosmos kennen. Ich weiß jetzt, dass die Putzfrau der Nachbarn immer montags kommt, wie „Schule dahoam“ geht, wann der Briefträger kommt, dass die Kinder von nebenan um 14.45 Uhr aus der Kita kommen, welches Restaurant Mittagstisch anbietet, dass Blaumeisen im Nebenhaus nisten und vieles mehr. Mein Kiez ist mir so nah gekommen wie noch nie zuvor. Und irgendwie hat das auch etwas ganz Erdiges und Schönes. Trotzdem vermisse ich Vieles. Allem voran: Meine Freund*innen im Speziellen und die Unbeschwertheit im Allgemeinen. Das Abwägen zwischen Sehnsucht nach zwischenmenschlichem Kontakt und dem Verzicht von Schutz von anderen und sich selbst ist einer der anstrengendsten Aspekte dieser Pandemie. Wenn alles ausgestanden ist, dann freue ich mich auf den ersten Besuch im Schwimmbad. Einfach ins Wasser springen und sich mal wieder freischwimmen….
Mein Kiez ist mir so nah gekommen wie noch nie zuvor.
Silke Zimmermann
Kuratorin und Mitglied der Geschäftsführung der Nemetschek Stiftung

Sehnsucht
Lorena Jaume-Palasí
Mein Alltag hat sich brutal verändert. Vor der Pandemie habe ich international gearbeitet, war dauernd unterwegs. Jetzt arbeite ich ausschließlich von zu Hause UND betreue dabei ein Kind im Vorschulalter. Grundsätzlich komme ich gut damit zurecht, vieles in Videokonferenzen zu besprechen. Gleichzeitig fehlt mir die Interaktion, die zwischenmenschliche Note bei persönlichen Treffen. Was mich durchhalten lässt, ist meine Familie. Zu sehen, wie meine Tochter trotz allem fröhlich ist, macht mich glücklich. Am meisten freue ich mich darauf, unsere Familienrituale wieder aufzunehmen: Eis essen, danach zum Spielplatz – das vermisse ich. Auch möchte ich mal wieder Freunde umarmen können. Worauf ich in Zukunft definitiv verzichte? Das viele Reisen. Nach Australien für eine dreitägige Veranstaltung, das halte ich heute für unverhältnismäßig.
Zu sehen, wie meine Tochter trotz allem fröhlich ist, macht mich glücklich.
Lorena Jaume-Palasí
Politikwissenschaftlerin und Digitalexpertin

Pandemüde
Alexander Runte
Mein Leben hat sich wie das von vielen verändert: Ich gehe nur noch partiell ins Büro (zuletzt im November 2020) und ich versuche, Alltag, Homeschooling und Arbeit irgendwie zu verbinden. Bei allem Chaos: Das klappt mal besser, mal schlechter. Und auch wenn ich es wirklich vermisse, in die Agentur zu gehen und meine Kolleginnen und Kollegen zu sehen (und nicht nur als kleine Zoom-Kacheln), weiß ich, wie unglaublich privilegiert ich bin. Ich habe die Möglichkeit, von zu Hause aus weitgehend ungehindert meiner Arbeit nachzugehen. Wir produzieren vor allem Magazine, digitale Inhalte und Social Media – das läuft trotz Pandemie alles unverändert weiter. Neben so vielen Menschen vermisse ich vor allem das Reisen – sobald es wieder möglich ist, will ich ans Meer.
Neben so vielen Menschen vermisse ich vor allem das Reisen.
Alexander Runte
Mitglied der Geschäftsführung von Nansen & Piccard

Hope of Deliverance
Dr. Annabelle Hornung
In einem Social-Media-Beitrag habe ich gelesen, dass der Ausdruck „Lock*down*verlängerung“ im Kopf der Verfasserin immer auf „Hope of Deliverance“ von Paul McCartney erklungen ist. Das hat bei mir spontanes Lachen und einen kurzen Moment der Leichtigkeit hervorgerufen. Ein seltenes Gefühl in der letzten Zeit. Ich hoffe, dass wir diese Unbeschwertheit wiedergewinnen. Beruflich fehlen mir Ausstellungseröffnungen, der Austausch mit Kolleg*innen und natürlich die Besucher*innen. Als wir im März für fünf Tage das Museum wiedereröffnen durften, war das eine tolle Erfahrung, von der wir im Team noch lang zehren konnten. Im Museum wollen wir künftig die fortschreitende digitale Transformation mitgestalten und für möglichst viele Menschen erlebbar machen. Glück und Stärke finde ich wie die meisten zu Hause, wenn ich mit meiner Familie Musik von alten Schallplatten höre und wir dabei durch die Wohnung tanzen. Nach der Pandemie möchte ich ganz groß feiern, mit Kind und Kegel und allen Freund*innen. Dann werden wir uns in den Armen liegen, Musik hören, tanzen und vielleicht ein bisschen weinen vor Freude, dass wir uns (wieder) haben.
Nach der Pandemie möchte ich, dass wir uns mit der Familie und allen Freund*innen in den Armen liegen und das Leben feiern.
Dr. Annabelle Hornung
Direktorin des Museums für Kommunikation Nürnberg

Von dunklen Tagen und Lichtblicken
Sophia Oppermann
Am meisten fehlt mir die Offenheit, mit der ich früher auf Menschen zugegangen bin. Die ganze Leichtigkeit im Sein und das Grundvertrauen, dass mein Gegenüber mir nicht schadet, und ich ihm auch nicht. Ich wünsche mir auch mehr Solidarität – mit den Menschen, deren Leben die Krankheit zerstört und mit denjenigen, die die Last der Pandemie tragen. Ob Pfleger*innen, Jugendliche, Gastwirte, Künstler*innen oder Kleinkindeltern. Ihr Beitrag ist immens und verdient mehr Anerkennung und praktische Hilfen, z.B. Geld. An dunklen Tagen verzweifle ich manchmal angesichts der Querdenker*innen und Verschwörungsideolog*innen, die gemeinsam mit Rechtsextremen Demokratie und Menschenrechte zum Teufel jagen wollen. Sie machen mir Angst. Aber ich weiß, wir sind mehr und stehen füreinander ein. Das hilft. Mein persönlicher Lichtblick ist das Leben als Familie mit zwei Teenagern. Wir verbringen jetzt viel mehr Zeit miteinander, als das normalerweise der Fall gewesen wäre, kommen uns nochmal näher und unterstützen uns gegenseitig. Das empfinde ich als großes Geschenk.
Mein persönlicher Lichtblick ist das Leben als Familie mit zwei Teenagern.
Sophia Oppermann
Geschäftsführerin und Vorstandsmitglied des Vereins Gesicht Zeigen!
